Die erste ausführliche volkskundliche Abhandlung über
die Hianzen - sie erschien noch vor Czoernigs
Ethnographie (1855-57) und Schröers Wörterbuch (1859) -
stammt aus der Feder des gelehrten Bischofs Michael Haas.
Geboren am 8. April 1810 zu Pinkafeld, erwarb er sich in
Wien das Doktorat der Philosophie, war ab 1837 Professor
am Lyceum in Fünfkirchen, von 1846 bis 1853 auch Pfarrer
der dortigen Gemeinde, von 1853 bis 1858 Schulrat des
Pester Bezirkes, ehe er schließlich am 8. März 1859
sein Amt als Bischof von Szathmár antrat.
Durch rege Korrespondenz mit Pfarrern und Schullehrern
aus der Hianzerei brachte er "einen starken Band von
handschriftlichen Folioblättern mit lexikographischen
Aufzeichnungen, sowie solchen von Liedern, Spielen,
Sitten, Gebräuchen, Volkswirthschaftlichem"
zusammen. [...] Wenn er von einem seiner Sammler einen
frommen Brief, aber ohne die erwünschten
folkloristischen Zugaben erhält, schreibt er enttäuscht
darunter: "Nichts über die Hienzen"."
Nach seinem am 27. März 1866 in Pest erfolgten Ableben
kam diese handschriftliche Sammlung - vielleicht auf dem
Umweg über Johannes Ebenspanger - in den Besitz des
Pittener Germanisten Johann Willibald Nagl. In Nagls
Nachlaß verliert sich leider ihre Spur, wie auch die
einer einschlägigen handschriftlichen Arbeit von
Ebenspanger. Umso erfreulicher ist es, daß uns ein
zweiteiliger Aufsatz über "Die Hienzen. Ein Beitrag
zur Völkerkunde in Ungarn." vorliegt, der 1854 in der
Preßburger Zeitung erschienen ist. Der mit "Dr. H."
angegebene Autor ist niemand anderer als Dr. Michael
Haas. Im folgenden wird der Großteil dieser Arbeit
wiedergegeben:
"In den Comitaten Wieselburg, Oedenburg und
Eisenburg, an den Grenzen von Steiern und Oesterreich,
wohnen Deutsche, die sich selbst Hienzen
nennen und auch von Andern so genannt werden." Zur Entstehung
des Namens meint Haas, bezugnehmend auf die von
Csaplovics und anderen erwähnte Legende vom Grafen
Henco: "Für diese Sage spricht aber sonst gar
nichts, als ihr Name im Husarenlatein: Hencones = Hienzen
und Henzonia = Hienzerei. Heinsius meinte, Hienzen heiße
so viel als die hintersten Deutschen, indem sie nämlich
unter Karl dem Grossen die hintersten der Deutschen im
Osten seines Reiches waren. Andere meinen, sie wären die
noch unvermischten Nachkömmlinge der Gothen, - und so
viel ist in dieser Beziehung gewiß, daß sie noch viele
gothische Wörter und Ausdrücke, wie sie bei Adelung
stehen, gebrauchen. Hienzen werden sie vermuthlich darum
genannt, weil sie das Wörtlein jetzt "hiatz,
hienz" aussprechen. So viel ist außer Zweifel, daß
sie seit der Entstehung des Königreichs Ungarn ihre
jetzigen Wohnplätze immer behaupteten.Der Dialect
den sie sprechen, ist weder mit der steirischen noch mit
der österreichischen Mundart verwandt, wie denn auch
ihre Sitten, Gebräuche, Kleidung, ihre Häuser, ihre
Volkslieder sich von denen ihrer deutschen Nachbarn
unterscheiden. Es trennt sie manchmal nur die Grenzlinie
von ihren steirischen und österreichischen Nachbarn,
[...] und dennoch sind sie von ihnen sehr verschieden und
auf den ersten Blick zu erkennen. Als im vorigen
Jahrhunderte die Protestanten verschiedener Ursachen
wegen aus dem Salzburgischen auswandern mußten, ließen
sich viele in der Hienzerei nieder und wurden seit der
Zeit, trotzdem sie protestantisch blieben, echte Hienzen.
Schade, daß bisher kein deutscher Sprachforscher sich in
die Hienzerei verirrte. Er hätte uralte Sprachformen,
anderswo längst verschollene Wörter, originelle
Ausdrücke, Phrasen und herrliche Volkslieder in Hülle
und Fülle sammeln können. Wimmer, der Geograph, lebte
längere Zeit als Prediger in Oberschützen und konnte
sich nicht genug wundern über den Sprachschatz, der in
der Hienzerei noch unbeachtet brach liegt. [In Grimm's
neuestem Wörterbuche wird z.B. [...] bewiesen, daß
Alfanz deutschen Ursprungs ist und verwandt mit fenzen,
trügen, narren, und Fienzler ein Narrer. Spienzeln
heißt liebeln. "Dos thut mir and" ist auch
hienzisch. Zwischen der hienzischen und englischen
Aussprache soll eine frappante Aehnlichkeit stattfinden.]
Die Seelenzahl
der Hienzen [...] dürfte [...] sich auf 200.000
belaufen. Es gibt mehrere Gattungen, si
ita loqui fas est, der Hienzen. Sie scheiden sich in:
Spiegel-, Heu-, Stroh-, Wasser-, Mord-, Bum-, Kotzen-,
Knödel-, Pelz-, Wolfs-, Brei-, Lercherl-, Herrgotts-,
See-, Klee- etc. etc. Hienzen.
Die Spiegelhienzen sollen ihren Namen
daher haben, weil sie sich früher des Hemd- oder Janka-
(kurzer Rock) Aermels anstatt des Sacktuchs bedienten.
Die Heuhienzen recrutirten und suchten
einen Flüchtling im Heu mit den Worten: "Michl,
meld' di!" - "Wegenwas nit gor, ihr möcht mi
fonga," war die Antwort des Gutversteckten.
Die Mordhienzen sollen sich durch Mord und Brand
ausgezeichnet haben während des
"Kruzenrummes".
Die Knödelhienzen: "Hiasel, tumml
di, wenn ma früah firtig wern, kriegn ma, wenn's Gott
will, Knödl." - "A na, Voda, d' Muada muß a
wöll'n, sunst kriegn ma kani Knödl."
Die Kotzenhienzen zerschnitten einen
funkelnagelneuen Kotzen, um einen alten daraus flicken zu
können. Andererseits wird erzählt, daß
derRegimentscommandant in Oedenburg für seine Mannschaft
mehrere hundert Stück Kotzen bestellte, und eine
gebrauchte Kotze als Muster mitgeben ließ. Diese hatte
zufälligerweise ein Loch, und die Kotzenverfertiger
machten nun in alle ihre abgelieferten Kotzen Löcher,
wie die Musterkotze eines hatte.
Die Seehienzen wohnen am Neusiedlersee;
diese heißen eigentlich Hechtenstutzer, indem einst ein
großer Hecht im Neusiedlersee gefangen und zum
Ortsvorstande gebracht wurde, der sagte, dieser Hecht
möge aufgehoben werden, bis der Statthalter ankomme, um
ihn dann für denselben zuzubereiten. Es wurde nun der
Befehl ertheilt, den Hecht wieder in den See zu werfen,
damit er aber beim Fangen erkannt werde, wurden ihm die
Flöße und der Schweif gestutzt. [Wem fällt bei diesen
Streichen nicht sogleich die engste Verwandtschaft mit
den "Schwabenstreichen" ein? Die Red.]
Die Herrgottshienzen schickten zwei der
Ihrigen in die Stadt, um beim Maler ein Christusbild
malen zu lassen, und als der Künstler fragte, ob er den
Heiland todt oder lebend, am Kreuze darstellen solle,
sollen die Ablegaten nach langer Berathung gesagt haben:
"lebend, denn, wenn sie ihn todt haben wollen, wern
sie ihn schon selber todtmachen."
Die Bumhienzen haben ihren Namen daher,
weil sie beinahe alle Binder sind; sie versorgen das
Eisenburger, Szalader, Weszprimer, Somogyer und Baranyaer
Comitat mit Schaffeln, Kübeln und dergleichen Waaren aus
Tannen- und Fichtenholz.
Die Heu- und Strohhienzen sollen beim
Exercieren im "Rechtsum" und
"Linksum" begriffsstützig gewesen sein,
weshalb der Commandant einem jeden auf den rechten Fuß
Heu und auf den linken Fuß Stroß binden ließ und dann
"Heu' rum" und "Stroh' rum"
commandirte.
Die Breihienzen: Eine Bäuerin kochte Hirsebrei, und als
er siedend wurde und zu "schnadern" anfing,
ruft sie atemlos ihren Mann herbei, indem der Brei
"winni" (wüthend) geworden sei. Der Mann
ergriff seinen Knittel und zertrümmerte den Hafen
[sic!], nach Andern nahm er sein Feuergewehr und
zerschmetterte durch einen Kraftschuß den Breihafen.
Die Lercherlhienzen wollten Lercherl
fangen und trieben sie in den mit Mauern und Gräben
umgebenen Schloßhof.
Die Sauhienzen treiben mit Borstenvieh
Handel.
Die Kleehienzen bauen viel Futterklee.
Die Pelzhienzen wollten bei einem Bau
sich alle auf einen Stamm Bauholz setzen, hatten aber
nicht Platz darauf in ihren großen pulmerischen Pelzen;
da gab ihnen einer den Einschlag, den Stamm in die Länge
zu ziehen. Sie entledigten sich der Pelze, um stärker
ziehen zu können, und siehe da, sie hatten dann alle
Platz, bemerkten aber nicht, daß sie jetzt ohne Pelze
sich setzten.
Die Wolfshienzen wollten einen Wolf
fangen und seine Leber braten, um stich- und schußfest
zu sein, fingen aber des Pfarrers großen Hund in dem
finstern Wald und aßen seine Leber mit Heißhunger,
indem sie erst später ihren Irrthum gewahr wurden.
Die wälschen Hienzen: Es wurde eine
Abtheilung italienischer Soldaten zur Einquartierung
angesagt und dabei erzählt, daß dies fürchterliche
Leute seien. Ein paar junge Bursche versteckten sich
deshalb aus Angst im Stadel; es kam jedoch eine
Abtheilung deutscher Cavalleristen statt der Wälschen,
von welchen mehrere mit ihren Pferden in denselben Stadel
einquartiert wurden, wo sich jene versteckt hatten. Als
diese nun unter sich sprachen, stieß der eine Bursch den
andern und sprach: "Du Tointl, i verstoih a jeds
Wort." - "I a," erwiderte der Andere. -
"Hab i doi nit gwußt, daß i wälsch kann." -
"Schau, dos muß uns unser Schulmaster g'lernt
hob'n, ohne daß wir's g'wußt hob'n."
Die Waldhienzen wohnen in den Grenzwaldungen zwischen
Steiern und Ungarn.
Die Weiber der Faltenhienzen tragen
kurze Röcke mit tausend Falten.
Die Kroishienzen geben sich viel mit dem Krebsenfang ab.
Krebsen = Kroiskäfer. Kroisen = Krebsen. Kroisbach = ein
krebsreicher Bach.
Die Mosthienzen bereiten viel Aepfel-
und Birnenmost (Cyderwein).
In der neuern
Zeit gibt es auch ungrische Hienzen:
Man erzählt sich scherzweise, daß ein Hienz, welcher
alljährlich zum Schnitt und Dreschen "in's
Ungarn" reiste, prahlte, daß er ungrisch spreche,
obwol er außer einigen Flüchen nichts wußte, als
jóvan, szamár (gut ist's, Esel), was ihm der
Grundbesitzer stets zur Antwort gab, wenn er ihn deutsch
fragte, ob er dies oder jenes gut gemacht habe. Während
der Revolution wurden auch die Hienzen hart mitgenommen.
Einst kam ein martialisch aussehender Honvédoffizier,
welcher schnell zu reisen hatte und dem Vorspann gegeben
werden mußte. Der Mann, der ihn führen sollte, ging zu
seinem Nachbarn und sagte zu ihm: "Hanns, führ'
statt meiner den Offizier, denn du kannst ungrisch und
ich er versteht nicht deutsch; er sieht rabiat aus und
ich fürchte mich vor ihm; Dir wird er gewiß nichts zu
Leid thun, weil Du mit ihm ungrisch sprechen kannst, und
überdies gebe ich Dir zwei Gulden." Hanns schlug
ein; kaum fuhr er eine Strecke, als es dem Offizier zu
langsam ging und er dem Kutscher zurief: "Hamar,
hamar, szaparán" - "Jován, szamár," war
die Antwort und er hieb tapfer in die Pferde. Der
Offizier traute entweder seinen Ohren nicht oder er hatte
es vielleicht überhört; als er jedoch beim langsameren
Fahren die Worte wiederholte und Hanns sein ganzes
Ungrisch mit obligatem Fluchen radebrechte, schlug ihn
der Offizier ins Genick, und da er trotzdem sein
"jován szamár" kläglich fortsagte, so schlug
auch der gereizte Magyar fortwährend derb drein, bis er
endlich merkte, wo der Fehler stecke; nun ließ er ab vom
Schlagen und sagte: "te bolond szamár!" was
der Hienze abermals mit "jován, szamár"
erwiderte, worüber der Offizier dann herzlich lachte und
ihn, auf der Station angekommen, extra noch beschenkte.
Im Hause angekommen, fragte ihn der Nachbar, wie es ihm
ergangen: "Zuletzt recht gut," gab Hanns zur
Antwort; "aber anfänglich wurde ich furchtbar
geschlagen, und ich glaube, wenn ich mit ihm nicht
ungrisch geredet hätte, er hätte mich
todtgeschlagen." "Ja ja," setzte er hinzu,
"die Ungarn sind köstliche Leute, aber reden muß
man mit ihnen können!
Wohnsitze
und Wohnungen: Die Hienzen dehnen sich von der
Leitha bis zum Einfluß der Lafnitz in die Raab, also von
Altenburg bis Körmend aus. Oedenburg ist die Hauptstadt
des Hienzenlandes. Güns, Rust, Wieselburg, Rechnitz,
Pinkafeld, Lockenhaus, St. Gotthardt, Bernstein,
Großpetersdorf etc. etc. sind die Hauptorte der
Hienzerei. Die Gegenden, welche die Hienzen im
Oedenburger und besonders im Eisenburger Comitat
bewohnen, sind größtentheils gebirgig und mußten
mühsam ausgerodet und urbar gemacht werden. Sie bewohnen
aber auch romantisch schöne, fruchtbare Thäler, z.B.
das Güns-, Lafnitz-, Raab-, Pinkathal und den gesegneten
Haidboden am See. Ihre Häuser sind groß und meistens
gut aus harten Materialien gebaut. Hie und da finden sich
in den Gebirgen auch noch hölzerne Häuser. Die Dächer
sind in den Dörfern gewöhnlich von Stroh, in neuerer
Zeit werden aber fast durchaus Ziegeldächer gebaut. In
jedem Haus befinden sich wenigstens zwei Stuben mit
schöner Einrichtung. Hie und da brennen sie zur
Winterszeit noch Kienfackeln anstatt Kerzen und gehen zur
"Rorate" mit Holzspänen in die Kirche.
Ihrer Körperbeschaffenheit
nach sind die Männer der Hienzen durchgehends groß und
schlank gewachsen und ein starker, schöner
Menschenschlag. Die Weiber und Mädchen arbeiten im Felde
gleich den Männern, unter anderm müssen sie auch. -
Ihre Kost ist gut und nahrhaft. Ihr tägliches Brod
meistens von Kornmehl mit Erdäpfeln vermischt.
Gedörrtes Obst, Aepfel- und Birnspalten haben sie das
ganze Jahr hindurch. Die starken Plattensee-, dann die
rothen Sexarder Weine sind der Lieblingstrunk derHienzen.
Vor einigen Jahren noch trugen die meisten Hienzen
ungrische Hosen, eine ungrische dunkel- oder
hellblautüchene, beschnürte, mit rothem feinen Leder
unterschlagene und beknöpfte Jacke; eine lange Weste mit
großen Silberknöpfen, schöne Tuchmäntel, nun aber
meistens schon deutsche Stiefelhosen und hie und da auch
Pantalons. Das gilt von den Bauern. Die Handwerker, deren
es unter den Hienzen sehr viele gibt, kleiden sich alle
neumodisch. Auch kommen die "weißen
Kopftücheln" der Bauernweiber
schon ab und machen Hauben Platz. Ihre Leinwäsche ist
durchaus schön und rein, indem sie nämlich selbst viel
Flachs bauen und auch viel von den Steirern und
Oesterreichern kaufen.
Industrie: Die Hienzen bestellen ihre
Felder meistens mit eisernem Fleiß in
Zweifelderwirtschaft. Das Brachfeld benützen sie zu
Knollengewächsen und Hülsenfrüchten. Besonders bauen
sie viel steirischen Klee und erzeugen auch viel
Kleesamen. Zum Dünger sammeln sie im Herbst in den
Wäldern Baumblätter ("Streu"), Fichtennadeln
und Fichtenäste, die sie zusammenhacken und
"Krassa" nennen; dies streuen sie dem Vieh
unter und das ist ihr Felddünger.
Der Obstbau wird in der Hienzerei mit
Liebe und Eifer betrieben. Am meisten gedeihen die
Pfaffen- und Günseräpfel, dann die Wasser-, Frauen- und
Plutzerbirnen, die nicht nur viel und guten Cyder
liefern, sondern sich auch sehr gut dörren lassen.
Außer den Ruster, Oedenburger und Günser Weinen sind
noch die Eisenberger und Rechnitzer mit Recht berühmt.
Zur Erntezeit ziehen die Hienzen
schaarenweise "in's Ungarn", unter Steinamanger
bis unter Pápa hinab zum Schnitt und dann später zum
Dreschen und verdienen sich da das Winterbrod, indem
nämlich ihr Gebirgsboden sie nicht alle zu ernähren im
Stande ist. Aus dieser Ursache widmen sich viele auch dem
Handel und durchziehen als "Buttenträger" die
Gegend zwischen Donau und Drau; vor einigen Jahren gingen
sie auch in den Gebirgen Oesterreichs und Steiermarks
hausiren, was aber in der Neuzeit sehr erschwert wurde.
Als Grenzbewohner verstanden sie sich
auf's Schwärzen. Auch handeln sie mit Bauholz, besonders
mit "Laden" "in's Ungarn" und mit
Wein "in's Deutsche." Ihr Obst verführen sie
nach Wien und in Ungarn tauschen sie es für Korn und
Gerste ein. Viele haben arrondirte Wirthschaften und
ziehen recht schönes Vieh; ihre Pferde sind groß und
stark. In Oedenburg und Petersdorf sind die berühmtesten
Pferdemärkte. Schöne Kühe sieht man in jedem Dorf.
Die Hienzen haben große Anlagen zu Handwerken
und auch zur Kunst. [In ganz Ungarn gibt es nirgends so
viele Tuchmacher und Siebbödenmacher als in der
Hienzerei. In Oedenburg, Güns, Pinkafeld, Lockenhaus
wohnen sehr viele Tuchmacher und Leinweber. Vor Zeiten
wurde die hienzische sehr gute, blütenweiße
Hausleinwand auch nach Triest geliefert, was aber seit
mehreren Jahren schon nicht mehr der Fall ist.]
Es bestehen überall Schulen, obwol
bisher kein Schullehrerseminär oder Präparandie zu
finden war. Die Schulmeisterei wurde handwerksmäßig
betrieben. Der Präzeptor lernte vom Schulmeister, aber
nicht nur lesen und schreiben, sondern auch die Musik. -
Die Gemeinden sind meistens in großer
Ordnung, und Richter und Geschworene durften selten, wie
das in ungrischen Dörfern gewöhnlich, wenigstens
früher, der Fall war, auf Regimentsunkosten trinken.
Fleiß, Wirthschaftlichkeit und Ehrlichkeit zählen zu
den Haupttugenden der Hienzen. Bettelarme Leute gibt es
wenig in der Hienzerei, auch kennt man die Proletarier
unter ihnen noch nicht. In den Hungerjahren 1816 und 1817
dankten beinahe alle Hienzendörfer für den ihnen vom
Komitat angebotenen Vorschuß.
Mit ihren Nachbarn, den Ungarn und
Croaten, dann mit den Oesterreichern und Steirern leben
die Hienzen in Friede und guter Nachbarschaft. - Ihren
vorigen Herrschaften, den Fürsten und Grafen Eszterhazy,
Batthyanyi und Erdödy, den Stiftsherren von
Heiligenkreuz und Sankt Gotthardt (kleinere Grundherren
gab es nicht in der Hienzerei) dienten sie fleißig und
redlich. Sonderbar ist es, daß man in der Hienzerei von
keinem Neuntel etwas wußte. In den Gefängnissen findet
man selten einen Hienzen. Uneheliche Kinder sind auch
äußerst selten, die Kirchen an Sonntagen wie auch an
Festen immer gefüllt. Die Geistlichkeit sorgt streng
für Zucht und Ehrbarkeit.
In der Hienzerei befinden sich noch
mehrere alte Burgen, die leider bisher,
wie in ganz Ungarn, zu wenig gekannt sind. Als
Grenzlandschaft mußte die Hienzerei auch befestigt sein.
Die alten Burgen Forchtenstein, Bernstein, Schlaning,
Rechnitz, Eberau etc. bestehen noch und sind in gutem
Zustand. In Güssing, Güns, Lockenhaus, Pinkafeld,
Rothenturm, Körmend, St. Gotthard etc. befinden sich
mehr Ruinen von den alten Schlössern. -
Schöne Kirchen befinden sich in
Lockenhaus mit der Familiengruft der Nádasdy (der
enthauptete Palatin hatte nämlich in der Hienzerei
große Besitzthümer), Sanct Gotthard, Güssing,
Pinkafeld, Rechnitz, Petersdorf etc. In Mariensdorf steht
auch ein uraltes Gotteshaus, das der Sage nach von
Stephan dem Heiligen soll erbaut worden sein. In Wandorf,
Oedenburg, Lockenhaus, Eberau, Bernau, Jack etc.
bestanden einst reiche Stifte. Gegenwärtig sind nur noch
in Forchtenau Serviten, in Güssing Franziskaner und im
Stifte St. Gotthard Zisterzienser, in Oedenburg und Güns
haben Benediktiner die Schulen; auch findet man in
Oedenburg noch einige Dominikaner.
Von den vielen
interessanten Sagen der Hienzen nur
eine: An der Straße von Petersdorf nach Rothenturm liegt
ein kleiner herrschaftlicher Eichenwald; von diesem
erzählt die Sage wie folgt:
Der Herr von Rothenturm machte der Gemeinde Rothenturm
hundert Joch Ackerfeld streitig, indem er sich auf alte,
vergilbte Pergamente berief. Da der Junker des
kostspieligen Rechtsstreits kein Ende sah, erbot er sich
vergleichsweise sein Eigenthum abzutreten, wenn ihm noch
eine letzte Saat bewilligt würde. Die Bauern
schmunzelten und schlugen ein. Als sie aber bei der
"Hagelfrier" die Felder umgingen um bei dem
neuerworbenen Felde zu sehen, was der Junker zu guter
Letzt für Frucht gesäet hatte, da war es - o Schrecken
- Eichelsaat! Wol schrieen sie über Betrug und
Ueberlistung, da sich leicht voraussehen ließ, daß sie
kein Zahn mehr schmerzen werde, wenn diese Saat zum
Schnitt komme; doch vergebens! Zu deutlich sprach der
frischgeschriebene Vergleich, deutlicher als einst das
Mönchspergament:
Aber lustig
wuchsen die Eichen empor,
Bald knallte dort im Grünen des Junkers Rohr,
Noch sah er zur Lohe schälen manchen Schaft,
Er trank sich noch Stärkung aus braunem Eichelsaft.
Die Hienzen
schämen sich nicht, Hienzen zu sein, und über die hier
geschriebenen Anekdoten, welche so wie sie gegeben,
entstellt oder modificirt, in verschiedenen Blättern
erschienen, hat sich noch nie ein vernünftiger Hienz
aufgehalten, weil sie sich selbst gegenseitig aus Jux
aufziehen und hecheln und gut wissen, daß man dadurch
weder ihrer Nationalität nahe treten, noch weniger eine
bäuerliche Schwäche lächerlich machen will; vielmehr
tragen dergleichen Witze zur Aufklärung und Abstellung
gewisser Mißbräuche bei. Man weiß auch, daß selbst
ansehnliche Bürger und Beamte noch jetzt stolz sind auf
ihre hienzische Geburt und Abstammung. Und sie sind auch
aller Ehren wert, die wackeren Hienzen!
Vom Cardinal
Batthyanyi erzählt man folgendes verbürgte Bonmot: Er
hielt sich als Reichsprimas recht oft und lange in seiner
Ahnen Schloß Rechnitz auf und nannte sich selbst
scherzweise einen Hienzen, indem nämlich der größte
Theil der Hienzerei auch wirklich der Familie Batthyanyi
gehört. Einmal führte sich bei ihm ein
"Comitatsherr", von dem es allbekannt war, daß
er ein Fegfeuer für Bauernsäcke war und außerdem ein
übelnotirtes Sujet oder Stück von einer Obrigkeit, als
Hienz auf, und der Cardinal brach darüber entrüstet in
die Worte aus: "Na, will denn schon jeder Spitzbube
ein Hienz sein?"
Zur
Frühgeschichte des Begriffs "Hianzen"
Johann Matthias
Korabinszkys schon oft zitierten "Almanach von
Ungarn auf das Jahr 1778"
kann man wohl nach wie vor als
geographisch-ethnographische "Geburtsurkunde"
der Hianzen bezeichnen. Die "Hienzey",
so heißt es dort, sei "eine Landschaft 6 Meilen
lang und soviel breit, in der Gegend um Güns herum. Die
Inwohner sind Ueberbleibsel von den alten Gothen, haben
ihre besondere Sprache, und ihre Trachten. Die Weiber
tragen meist schwarze Kittel mit vielen Falten. Die
Männer meist weiße Röcke und einen runden
herabgelassenen Hut."
Franz Probst hat schon
vor längerer Zeit auf einen noch zwei Jahre älteren
Beleg für die Verwendung des Wortes aufmerksam gemacht:
Im Text der Marionetten-Operette "Die Fee
Urgele", die 1776 in Esterhaz aufgeführt
wurde, fand er das Wort "Hienzin" als
Schimpf- und Spottwort gebraucht.
In der Festschrift für
Johann Seedoch (erschienen 1999 als Sonderband XXII. der
"Burgenländischen Forschungen") befasst sich
nun Harald Prickler unter dem Titel "Das Dach des
Burgenlandes" mit der Geschichte des Namens
"Geschriebenstein". Im Rahmen der Einleitung
kommt er auch kurz auf die hier heimischen Hianzen zu
sprechen:
"Schriftlich
taucht der Begriff "Hienzen"
erstmals nach der Mitte des 18. Jahrhunderts auf, als
Bezeichnung für Wagenfuhren, die mit Waren die Maut von
Kittsee auf der Reise nach Preßburg passierten; es gibt
auch Hinweise, daß am anderen Endpunkt der Reise die
steirische Hauptstadt Graz lag. Über den Inhalt dieser
Wagenfuhren schweigt die Quelle, wir möchten aber
annehmen, daß es sich in erster Linie um Lohnfuhrwerk in
fremdem Auftrage gehandelt hat, dessen sich die arme
Bevölkerung des hienzischen Kernlandes zur Aufbesserung
ihres kargen Lebensunterhaltes bediente, ähnlich, wie
seine jungen Burschen und Mädchen sich saisonweise beim
Getreideschnitt und -drusch in der Ungarischen Tiefebene
bzw. als Hauer und "Grünarbeiterinnen" in den
Weinbau-Monokulturzonen ein Zubrot verdienten."
Da als Quelle die im
Esterházy-Familienarchiv Forchtenstein aufbewahrten
Mautregister von Kittsee der Jahre 1757, 1765-1776,
1786-1800, 1809-1824 genannt werden, können wir davon
ausgehen, dass die erste Erwähnung aus dem Jahr 1757
datiert.
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